Wirkungsforschung und Neuromarketing
Was passiert in unserem Kopf
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Wahrnehmen, verarbeiten, bewerten, ordnen, erinnern, handeln: Das alles passiert in unserem Kopf innerhalb von wenigen Sekunden, bewusst und unbewusst. Wie wirken dabei Marken? Welche Rolle spielt das Image eines Unternehmens oder Dienstleisters? Was sagt uns das Unterbewusstsein über Handlungsweisen und Strategien?
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Wir sind impulsiv und zwanghaft zugleich. So arbeitet unser Gehirn und Nervensystem, so bestimmt es unser Handeln. Um dieses Wissen für Marketing und Werbung einsetzen zu können, unterstützen wir mit individuellen Produkt- und Probandentests im Feld der responsiven Marktforschung.
Neuromarketing beschreibt den Ansatz, Marketingtheorie und -praxis um die Erkenntnisse und Perspektiven der Neurowissenschaft zu erweitern und diese für Marketingzwecke nutzbar zu machen. Bekannte Beispiele sind bildgebende Verfahren, die Reaktionen des Gehirns und Nervensystems aufzeichnen, wie Hirnscanner oder auch EEG-Technologien (Elektro-Encephalografie). Mit Hilfe dieser Techniken lassen sich eine Reihe von relevanten Fakten für das Marketing ermitteln, zum Beispiel wie stark auf eine Werbung emotional reagiert wird oder welches Werbemittel die größte Aufmerksamkeit beim Betrachter erzielt.
Trotz allen Fortschritts führt dies jedoch nicht zum gläsernen Konsumenten mit integriertem Kaufknopf. Denn auch wenn das Gehirn mit nur 1.500 Gramm recht klein erscheint, besteht es doch aus Milliarden von Einzelteilen, die auf komplexe Weise miteinander verbunden sind und eine individuelle Dynamik aufweisen. Emotionen und Gedanken sind bei allen Menschen individuell, sodass diese selbst mit der neusten Technik nicht einfach ausgelesen werden können.
Individuelles Verhalten
Zwei Beispiele
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Thomas, 45 Jahre
Ohne Kaffee werde ich nicht wach!
Der Wecker klingelt und die ersten Sonnenstrahlen dringen durch das Fenster. Der auditive Cortex gibt den Befehl zum Aufstehen. Verschlafenen Schritts steuern das Kleinhirn und die Basalganglien den Körper Richtung Küche. Ganz automatisch erfolgt der Griff zur Filtertüte, Kaffeedose und die Kaffeemaschine wird eingeschaltet.
Und dann plötzlich passiert es:
Der Kaffeeduft steigt in die Nase. Über die Riechschleimhaut werden Signale direkt zum Frontallappen und in die Mandelkerne, unsere emotionalen Zentren, geleitet. Der erste Schluck stimuliert die Geschmacksrezeptoren und Nervenimpulse werden zum Geschmackscortex übertragen. Hier vereinen sich Geruch, Textur und Geschmack zum „Flavor“, dem Geschmackserlebnis. Das Gehirn sendet körpereigene Belohnungsstoffe aus. Die Laune hebt sich. Der Sympathikus beschleunigt den Herzschlag und der Kreislauf kommt in Schwung. Nun kann der Tag kann beginnen.
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Marie, 38 Jahre
Ich denke jeden Tag an Urlaub.
Der tägliche Weg zur Arbeit: Die Straßenbahn fast verpasst. Im Kopf schnell die wichtigsten Punkte für das anstehende Meeting durchgehen. Kinder schreien durch die Bahn. Die nächste Haltestelle wird erreicht. Der Blick schweift zum vertrauten Werbeplakat an der Hauswand gegenüber.
Und dann plötzlich passiert es:
Der visuelle Cortex setzt die optischen Signale zu dem Bild zusammen, das uns auf eine Zeitreise schickt: Wir sehen das fröhliche Treiben auf der Spanischen Treppe in Rom. Die temporofrontale Rindenregion aktiviert Areale im Schläfen- und Scheitellappen, das episodische Gedächtnis präsentiert uns Erinnerungen und Fakten des letzten Italienurlaubs. Emotional gefärbt durch die Amygdala und im Langzeit-Gedächtnis abgespeichert durch den Hippocampus, werden die in der Hirnrinde eingelagerten Erinnerungen aktualisiert – da vorne um die Ecke war dieses leckere Restaurant und in der Nebenstraße, da, war unser Hotel. Für einen kurzen Moment durchleben wir noch einmal die außergewöhnlichen und schönen Momente des letzten Urlaubs. Dann holt uns das Piepen der Bahntüren in den Alltag zurück.
Aufmerksamkeit und Kognition
Die unbewusste Wirkung von Marken
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Kognitive Netzwerke
Informationen werden von uns vorrangig unterbewusst und emotional verarbeitet. Aus all den einzelnen Markeninformationen formt und verändert unser Gehirn ein „Markennetzwerk“, auf das wir bei Entscheidungen zurückgreifen. Neben der Annahme des bewussten Konsumentens, hat die Neuroforschung auch die Illusion der rein rationalen Entscheidung entkräftet. Alle Informationen werden stattdessen zunächst emotional bewertet und erst im Anschluss, wenn überhaupt, rational verarbeitet. Stehen wir also wieder einmal kurz vor Ladenschluss vor dem Joghurt-Regal, werden wir nicht lange vergleichen, sondern einfach zu einem Produkt greifen – aus Erfahrung, Neugier oder Bauchgefühl.
Marken sind dabei von größter Relevanz, weil sie oft das noch einzige Differenzierungskriterium im heutigen Produktdschungel darstellen. Pepsi oder Coca Cola? Bei einer Blindverkostung geschmacklich kaum unterscheidbar. Ist die Marke aber bekannt, kam es bei Probanden zu geschmacklichen Präferenzen. Aktuelle Bedürfnisse steuern dabei unsere Aufmerksamkeit für Markeninformationen: Haben wir Hunger öffnen wir unser Bewusstsein für Werbebotschaften aus dem Lebensmittelbereich, wie dem herumliegenden Flyer vom Pizza-Service. Aus dem Rauschen der täglich ca. 3000 Werbebotschaften filtern wir so die für uns relevanten und gestalten mit ihnen unser Markennetzwerk, auf das der Autopilot zur kognitiven Entlastung bei der nächsten „unbewussten“ Entscheidung zurückgreift.
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Beispielprojekt zur Plakatwahrnehmung
Wenn wir Werbung sehen, entstehen verschiedene Gehirnwellen, die per EEG (Elektroenzephalografie) gemessen werden können. Je nach Gestaltung und Inhalt der Werbung können diese Daten Auskunft über den Grad der Aufmerksamkeit, der kognitiven Anstrengung und der Anzahl neuronaler Verknüpfungen geben. EEG-Verfahren messen Gehirnwellen durch die Erfassung von Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche. Jeder Bewusstseinszustand besteht dabei aus Alpha-, Beta-, Theta-, Delta- und Gammawellen. Wir produzieren selten nur eine Wellenart, denn unser Bewusstsein besteht aus einer Bandbreite verschiedener Hirnwellen.
Wir zeigen in diesem Projekt den Probanden einen Mix aus Bildern und Werbungen, von denen sie sich einen Eindruck verschaffen sollen. Die Betrachtungsdauer ist dabei frei varrierbar. Gleichzeitig werden die Gehirnaktivitäten mittels eines EEG-Headsets aufgezeichnet. Im Anschluss füllen die Probanden einen Fragebogen aus. Dieser soll zum einen Aufschluss über den Personentyp und seine Einstellung zu Werbung geben. Zum anderen liefert er Informationen über Bewertung und Erinnern der gesehenden Werbungen. Verbunden mit der Interpretation der EEG-Daten können so tiefe Einblick in die Wirkung von Werbung auf bestimmte „Typen“ gewonnen werden. Dieses Wissen kann besonders hilfreich sein zur Zielgruppendefiniton und anschließenden Maßnahmenplanung.